Hin und wieder ergreift es mich und ich muß dichten. Mit Worten verbinden sich bei mir scheinbar andere Seelenregionen als mit Bildern. Sie sprechen wie ein Gefühlsgeist, der besonders betrachtete Momente
wiedergibt durch Gedanken und Wahrnehmungen.
Dagegen haben Bilder etwas Stummes. Sie zeigen eher wie ein Spiegel von innerem Aug zu Aug.
Auf die Limericks kam ich durch ein Buch von meinem Lieblings-Monty-Python-Mitglied Michael Palin.
Er schrieb etwas mehr, auf englisch. Ich etwas weniger, auf deutsch.
Es waren einmal drei Hasen,
die sammelten antike Vasen.
Doch verlor´n sie die Lust
und beschlossen drum just
mit den Nasen Trompete zu blasen.
Eine Zecke namens Brigitte
- hockt auf des Astes Mitte.
Einher spaziert Klaus,
den kuckt sie sich aus,
und fällt ... zu früh ... nur drei Schritte.
Gestern um eins an der Brücke
verliebte sich prompt eine Mücke
in den Goldfisch vom Teich,
weil dem Namen nach reich.
- Darauf hielt sie sehr große Stücke.
Ein Skelett von vor tausenden Jahren,
noch mit original uralten Haaren,
wurd´ gefunden im Spind
vom Bademeisterkind.
Nebst einem Pantoffel vom Zaren.
(Die Schwimmgäste kamen in Scharen.)
Es ward ein Keks eingeladen,
mit einem Stück Torte zu baden.
Der Keks - scheu wie ein Reh,
traf sie erst im Kaffee,
dabei nahm sie beträchtlichen Schaden.
Der Winzer Ernst Ehrich Boedelke
hat gemeinsam mit seiner Frau Elke
eine Reblaus gejagt,
die sein´ Weinstock geplagt,
bis sie leblos wie Reblaub verwelkte.
Eine Schildkröte um süße fünfzich
fand im Schlußverkauf für sehr günstich
ein Bikini in Pink
und dazu einen Ring.
Sie sich so sonn´n zu sehen wünscht´ich.
Ein Gummientchen im Becken
wollte sich heimlich verstecken,
denn Inhaber Müller-Lüdenscheidt
hatte des öfteren wegen ihr Streit.
Den mochte sie nicht neu erwecken.
Eine Umhängetasche aus Nappa
- trank einmal sechs Flaschen Grappa.
Davon leicht angebleut,
nervte sie alle Leut´
mit ihrem endlosen Geplapper.
Ein Rittersmann und sein Knappe
hatten dereinst eine Schlappe:
in der Wüste verrannt,
der Knappe bald fand,
die Oase war auch nur Attrappe!
Es war eine Ziege Gerlinde,
die fraß gerne Blumengebinde
vom Friedhof ganz frisch
auf ihr´m Mittagstisch,
bis der Pfarrer rief: "Linn, das ist Sünde!"
Zwei Sahnehäubchen in Spe
freuten sich auf den Kaffee
nee nee nee
Es fiel aus heiterem Himmel
dem Glöckner auf´s Haupt eine Bimmel.
(c) Anja Mattenklott, 7. Februar 2000
Die Katze, die sich auf den warmen Steinen aalt,
Die zart gefalteten Blätter des kleinen wilden Rosenbuschs,
Die Bäume, die weiß und rosa blühen und die Straßen mit Duft erfüllen,
Die warme Abendluft
und die kühle Luft aus den Höfen, die mich streift,
Die Amselmänner auf den kahlen Bäumen und der Kirchhofsmauer,
Die kleine Maus, die Ameisen und die Hummel,
Die Vögel, die zwitschern und tschirren, lustig und schön sich unterhalten,
Die Ringeltaube, die über die Wiese geht,
Die Kinder, die Eis essen gehen.
(c) Anja Mattenklott, 24. April 2008
In ihrem Samtröckchensaum wohnt die kleine Muse
und singt und küßt den ganzen Tag
und ißt Schokolade.
(c) Anja Mattenklott, 23. Mai 2008
Liebe ist ein beliebtes Grundgefühl, um zu dichten.
Die Rinde quietscht
im Wind
Gras Himmel
Vogelpiep und und und
Der Kamillenpfad duftet süß
Finger streifen grün
Die Hüfte schwingt
an der Augenweide.
Mit Füßen
auf süßen Blüten
raff raff raff
durch den Weltbart.
Hunger und schwitz
passen nicht
in das Gedicht
Tropfen wie Saugnäpfe
auf der geneigten Scheibe,
gemästet Blitze kucken
in der warmen trockenen Kapsel.
So los!
Das alte Lied
Der Golden Boy
Das Suppenhuhn
Wer hätte es gedacht?
Du brummst
ich schwächle.
Du riechst
ich inhaliere.
Du bist da
ich bin weg.
Gehen ist schön.
Kühe, Kirschen,
Hirtentäschel,
Bläuling, Kiefer,
Raps
Moormatsch,
Stromzaun,
Kompaßnadel,
nach norden
Fuß in Tabs
Sabinensee
und alter Kahn,
Himbeeren,
dunkler Wald,
eine Kurve,
Pflastersteine,
goldlicht überstrahlt
wartet das
Vierrädrige.
(c) Anja Mattenklott, 30. und 31. Mai 2009
Hinterm Hügel
unterm Flügel
nackig im Gras
das war was!
Du sahst fern
ich sah intern.
Zart und trocken
weich und perfekt
Knackwurst und Knäckebrot
und Wodka
das schmeckt!
Ich liebe L.
in meinem Bauch
traurig, Muskat auf meinem Ärmel.
Dein Gesicht, so hell.
Du bist Du
und nicht hier.
Gestern liebte ich Dich,
über den Tisch.
Mehrmals.
Du sprachst, hörtest,
dachtest.
Ich sah dein Gesicht,
deine Hände und
dachte auch.
Was finde ich bei Dir?
Radio, Walnuß,
Sellerie, Knackwurst,
Schallplatten,
Wein, Fahrrad,
Sauna, Schweigen,
kaltes Zimmer,
Bahnfahren, Zeitung,
Äpfel, Ofen, Nähen,
Schuhe putzen, losgehen,
hinlegen, nackt sein,
Kernseife, Salbeitee,
Knäckebrot, russisch,
Hölderlin,
finde ich bei Dir.
Autistenliebe
Na, alter Junge!
rasiert und frisch,
in Hemd und Hose,
dich zu sehen ist schön.
Du stehst für dich,
ich lasse dich so.
Und sehne mich,
dich zu befühlen.
Ich traue mich:
ein Kuß, ein drück,
mehr weiß ich nicht.
Wie kann ich dich lieben?
Weißt du es nicht?
Das ernste Wunder
unter mir,
verbunden in der
Mitte.
Unsere weißen Bäuche
wie ein Körper
zart und still.
Nebenbei ist am besten
spontan ist am schönsten
Überraschung ein Glück
wir gehen und bleiben
wie es kommt.
Wann war das?
Ich mußte pullern.
Sie hielt auf einem
russischen Kasernenplatz
mit Birkenwäldchen.
Danach schnitt ich Kuchen
und Butter, während sie
nach Dingen suchte.
Er fand einen Ball.
Das Prellgeräusch riß mich
in eine vergangene Zeit.
Er spielte wie ich.
Sein Halstuch wippte. Später las er
im Rücksitzeng Gedichte.
Nahm blickend meinen Beutel.
Ich verlor beim Schuß meinen Schuh.
Sie kam ohne Fundstück zurück.
Weiter ging es.
(c) Anja Mattenklott, 9. Dezember 2009
Mein Körper wußte
mehr als ich.
Mein Verstand hatte
Angst.
Ich wollte an seinem
Rücken liegen.
Ich wollte seinen
Nacken küssen.
Angst.
An seinen Sachen
roch ich andächtig.
Sein Witz traf mich.
Im Traum sah ich
wie wir unsere Herzen
nähten.
Wie eine Taube hielt
ich seins und er meins.
Noch spüre ich deine Lippen
auf meinen
ein Zug zieht mich fort
gelbe Fenster in schwarzer Stadt
sehe ich
schweigend
(c) Anja Mattenklott, 19. September 2010
Wo treffen wir uns?
. . . auf einer Wolke . . .
. . . auf einem Lotusblatt im Ozean . . .
. . . am Fallschirm einer Pusteblume . . .
(c) Anja Mattenklott, 28. März 2017
Ich mag es manchmal einfach, mit Worten zu beschreiben, was ist. Besonders bei Krankheit mit Betthüten ist das eine gute Art und Weise in sich zu gehen. Dann schreibe ich etwas Bitterernstes. Lese ich es drei Tage später, breche ich in schallendes Gelächter aus, über meine unfreiwillige Komik. Oder auch nicht.
Alleine krank im Bette
und nich mehr schlafen können,
weil man schon tagelang
geschlafen hat und zappeln
vor Unruhe, was alles zu tun ist.
Und ganz platt sein von
den Bergen, die noch
abzutragen sind und keinen
zum reden, den das interessiert.
Ist das der Nährboden für Kunst?
Draußen piepts
die Autos brummen.
Leute quatschen
Blumen verstummen.
Vögel tschiepen
Abendsonne beleuchtet
Dach und Kran.
Der Himmel ist blau
ein Wind bläst die Fähnchen an.
Ich liech im Bette
siech.
Huste und grübel
vor mich hin.
Ein weißes Häschen
hüpft vorbei und
knabbert Möhrengrün.
Treppensteigen -
ich happ es so satt!
Eine neue Wohnung
mächte mich froh.
Taubenflügel schlägt
auf Lindenblatt.
Ich entdecke einen
blauen Fleck am Po.
(c) Anja Mattenklott, 16. Juni 2009
Wie muß eine Beziehung sein?
eng oder offen
saftig oder trocken
heiß oder kühl
wenig oder viel
mit reden oder ohne
langsam oder schnell
kurz oder lang
grob oder fein
Wie muß eine Beziehung sein?
Die Nase läuft,
die Ampel tockt,
obwohl kein Blinder
danach kuckt.
Licht wird zu dunkel.
Laut wird zu leis.
Wut wird zu Milde.
Wasser zu Eis.
Und dann ein Frühling
und dann ein grün
und alles ist anders
und alles macht Sinn.
Ich kann dich fühlen.
Du öffnest die Tür.
Wir kochen ein Huhn
und befreien das Tier.
Aus Frühling wird Sommer,
die Nächte sind kurz,
ich setze ein Komma,
du läßt einen Furz.
Heu knabbern ist gesund
für das Häschen.
Frühlingsduft ist gesund
für das Näschen.
Tee trinken ist gesund
für das Nierchen.
Stress machen ist gesund
für das Virchen.
Warum denn nicht?
Einen langweiligen Film sehen.
Nach 20:00 Uhr essen.
Eine Flasche Wodka austrinken.
Mit fettigen Haaren kommen.
Eine Stunde schweigen.
Beim Radfahren schwitzen.
Unkraut jäten.
In der Straßenbahn sitzen bleiben.
Blöde Fragen stellen.
(c) Anja Mattenklott, 9. Dezember 2009
Katzenjammer
und Unkenunken.
Ich heule und heule
über meine Einsamkeit
und die Unmöglichkeit
von mir und ihm.
Aus dem Gleichgewicht
bin ich.
Panik, Nerven, Isolation,
Unfreude, Wankelmut.
Die Schnecke kraucht
über Glasscherben.
(c) Anja Mattenklott, 27. Mai 2011
Gastroenteritis
War es das Eis?
War es das Wasser?
Der Alkohol? Das viele Fett?
Das Halten den ganzen Dienstag?
Magen-Darm eingequetscht?
Oder hat Dirk was gehabt,
der sah nicht so fit aus . . .
Morgen wieder Brühe mit Brötchen.
(c) Anja Mattenklott, 23. September 2010
Denken,
erinnern,
grübeln,
trauern,
mich verstehen
Trauma
ich in Beton gegossen
ich zu Fall gebracht
ich vernichtet
ich verspottet
ich vertröstet
ich allein gelassen
ich verängstigt
ich überfordert
ich unverstanden
ich schlecht gemacht
ich wehrlos
ich
(c) Anja Mattenklott, 30. Mai 2011
Müde, unsatt.
Grübeln nimmt kein Ende.
Schwüle. Ein Wind geht.
Die Arbeit ist leicht.
Ich traue mich und binde mich.
Heute klingele ich bei der Nachbarin.
Viele Hoffnungen hege ich.
Eigentlich zuviel.
Noch nie hatte ich eine gute Nachbarin.
Zum Schwatzen und Kochen.
Mal sehen, was geht.
Warum zuviel?
Ein Bedürfnis ist ein Bedürfnis
ist ein Bedürfnis ist ein Bedürfnis.
(c) Anja Mattenklott, 7. Juni 2011
Spargel und Schnitzel.
Ein Mittag zu Mittag.
Ich alleine essen.
Alleine am Tisch.
Wie zu Hause.
Alleine.
Ich denke und denke
und denke und
rede nicht.
Der Ort der Geborgenheit.
Im anderen Menschen.
Ihn gibt es nicht.
Suche in mir selbst
Ruhe zu finden.
(c) Anja Mattenklott, 1. Juni 2011
Müde. Mildes Wetter.
Pappelpollen schweben
im Raum.
Ich regeneriere mich.
Nähen, weben, die
Fäden ordnen.
Die Stücken verbinden.
Bis es vollendet ist.
Ich. Leuchten.
Ich selbst sein.
Ausgefegt in meinem
Inneren. Mich selbst
in Besitz nehmen.
(c) Anja Mattenklott, 14. Juni 2011
Was hilft
reden, ein Bier trinken
im Schaum liegen,
einen Ast absägen,
küssen, segeln, singen,
schreiben, sich halten
verreisen, frisches Geld aufs Konto
durch Morgennebel fahren
Frühlingsluft riechen
erstes Grün sehen, frische Wäsche
ein Date
(c) Anja Mattenklott, 17. November 2013
In meiner kunstlosesten Zeit als Baumschulgärtnerin hielt ich mein kreatives Fähnlein mit kurzen
Wortgefügen hoch. Im Sommer verkrümelte ich mich mittags an die hohen schattigen Sträucher
um den Löschteich und tauchte ein in meine stille Welt, von Fröschen umquakt.
Ahnend, daß meine Zeit dort nach vier Jahren dem Ende zugeht, faßte ich im letzten Winter meine Eindrücke zusammen. Im Nachhinein stelle ich fest, daß der Baumschulacker nicht der Boden ist,
auf dem große Kunst gedeiht. Dieses und viele andere Dinge konnte ich dort lernen.
Herbstmorgen
Kraniche kreischen,
Sonne schleppt sich über die Baumwipfel,
Nebel werden dünner
taubesetzte Baldachinspinnennetze
fein über kleine Tannenfinger gesponnen
Schuhe und Hosen naß vom Gras
schnell vergeht das.
(c) Anja Mattenklott, 23./24. September 2010
Mittagsgemurmel
paffender Hofschlurf
bleiglänzender Boden
bleiluftige Brise
warten
in wenigen Minuten
Bewegung
startende Motoren
schmatzende Räder
bis es dunkelt
(c) Anja Mattenklott, 22. November 2013
Morgennebel
stille Welt
perfekte Perlenbögen
glänzen an Felsenbirnen
wilde weiße Webennester
an Eibenspitzen
hinter dem Grau
sieht man nichts
wattiger Klang
feuchte Kühle
- rieselt am Rücken
der Spaten trennt die
Wurzel,
eine Magnolie zieht um.
(c) Anja Mattenklott, 21. November 2013
aufwachen - nacht
essen - nacht
autofahren - nacht
erster Gruß - Tach
bumpeln über den Acker
Erde naß, Erde trocken,
Erde schwer, Erde hart,
Erde mit Wurzeln, Erde mit Gras,
Erde mit Steinen, Erde mit Draht,
Erde wie Öl, Erde als Staub,
Erde mit Laub,
Erde mit Dunst, Erde am Schuh
"Pieep" - ausgechipt
Autofahren - abend
essen - nacht
einschlafen - nacht
(c) Anja Mattenklott, 19. November 2013
Smaragdverschnürter nackter Flieder
Wurzeln im Juteverband
gelbgrüne Flechtenflecken leuchten
neben blaß türkisen
dunkelbraun vertrocknete Blütenstände
geknickt zwischen Zweigen
Stark drücken die Äste gegen
das Band
perfekte pralle Knospen,
in sich Blättchen für Blättchen
weinrot gerändert
* bereit zum Treiben * voller Lebenskraft *
hell krönen sie die Pflanzenfinger
In die Erde! Aufrecht!
Schlammbrocken um den Ballen,
warten, wachsen, Winterschlaf
neben Viburnum und Berberis
(c) Anja Mattenklott, 5. Dezember 2013
Das Dunkle ist
doppelt so lang
wie das Helle
und das Helle ist grau
und nass und kalt
Die Pflanzen stehen
das Laub liegt
Dem Winter strecken
sie ihre Knospen entgegen
winzigste Zukunft
mit Pelz oder nackt
tiefrot glänzend
Sterben und Leben
strömen ineinander.
Leise und weise.
(c) Anja Mattenklott, 4. Dezember 2013