Bretonischer Junge auf Eichenbaum

Anja Mattenklott, "Bretonischer Junge auf Eichenbaum", 60 cm x 70 cm , Gouache, Pigmente auf Leinwand, 2022
Anja Mattenklott, "Bretonischer Junge auf Eichenbaum", 60 cm x 70 cm , Gouache, Pigmente auf Leinwand, 2022

Im August 2021 fand ich beim Stöbern im Internet das Portrait dieses Jungen auf einer alten Postkarte von 1902.

Sein Gesicht erinnerte mich an ein Jugendfoto meiner Mutter. Seine Tracht konnte ich nicht einordnen, obwohl ich mich schon mit etlichen Kulturen auf der ganzen Welt beschäftigt habe. Mir gefielen die Form und die Muster sehr. Das war der Beginn der Idee zu dieser Ausstellung.

 

In diesem Bild bringe ich nun verschiedene Eindrücke der bretonischen Welt zusammen, die geografisch nicht unbedingt zusammen gehören. In den Hintergrund malte ich Ausschnitte aus einer Karte der westbretonischen Stadt "Pont l´Abbé" ("die Brücke des Abtes") aus dem 17. Jahrhundert. Ich mochte die übersichtliche Anordnung der Häuser und Bäume und die Burganlage. Eine Ritterburg gehörte auch zu meiner Kindheit.

Der Eichenbaum nimmt Bezug auf den Zauberwald Brocéliande südwestlich von Rennes, etwa in der Mitte der Bretagne. Das war praktisch eine historische Spielstätte der Artussage. Ritter Lanzelot kniet im blauen Gewand vor dem heiligen Gral, den er dort gesucht und gefunden hat.

Für mich ist das auch das Gleichnis, daß die Natur von und in der wir (teiweise fast nicht mehr) leben,

der heilige Gral an sich ist.

 

In keltischen Zeiten haben die Bretonen Bäume, Wälder und Feen, Quellen und Flüsse verehrt.

Gerade diese naturreligiösen Spuren haben mich gereizt, in der bretonischen Kultur nach meinen europäischen Wurzeln zu graben.

Mit der Einwanderung des Christentums wurde der alte Glauben überformt, aber nie ganz verdrängt.

So findet man kuriose Mischformen wie Hinkelsteine aus deren Spitzen Kreuze gemeißelt wurden oder Marienkapellen, die in heilige Bäume, z.B. Eichen und Eiben eingelassen wurden.

Die Mehrheit der Bretonen ist heutzutage katholisch, oder vielleicht eher keltisch-katholisch.

 

Der Drachen ist ein kraftvolles Fabelwesen. Die britannischen Völker führten ihn in frühen Mittelalter als gemeinsames Feldzeichen auf ihren Siedlungswegen. Von den Schotten, Iren und Bretonen, haben die Waliser den roten Drachen bis heute in ihrer Flagge.

 

Unter seinen Füßen fühlt der Junge den Eichenbaum. Eichen stehen in vielen Kulturen für Kraft, Stärke, Durchhaltevermögen, Gerechtigkeit, Weisheit, Wahrheit.... Bei den Kelten waren sie beliebte Versammlungsorte

und bildeten oft das Zentrum einer Gemeinschaft, unter dem auch Recht gesprochen und Rituale vollzogen wurden.  Als Baum des Lebens war sie dem Himmelsherrscher und Wettergott Taranis geweiht.

Das keltische Wort für Eiche "Dair" oder "Dru" bedeutet "Tür". Die Bäume galten mit ihren tiefen Wurzeln als Tür

zur Anderswelt. Auch der Begriff "Druide" - "Eichen-Weiser" leitet sich nach einer Deutungsart davon ab. 

 

Wenn man Antwort auf eine Frage sucht, kann man eine Eiche umarmen.

Im Traum wird man sie dann bald erhalten, sagt eine Volksweisheit.

 

Die Wasserfee Melusine spielt den Fischen auf, die Eule hat sich eine Maus gefangen, der Hirschkäfer besucht die Rotkehlchen, Mutter Fledermaus kuschelt mit ihren Kleinen und die Eichhörnchen huschen und schauen, was ist.

 

Text: (c) Anja Mattenklott, Potsdam, 23. und 24. April 2022