Waldweidenfreuden

Anja Mattenklott: "Waldweidenfreuden", 50 cm x 40 cm, Gouache, Pigmente auf Leinwand, 2020
Anja Mattenklott: "Waldweidenfreuden", 50 cm x 40 cm, Gouache, Pigmente auf Leinwand, 2020

Mein Opa mütterlicherseits war Schweinemeister, im chinesischen Tierkreiszeichen Erde-Schwein, in eine pommersche Bauernfamilie hineingeboren. Ich lernte ihn erst als über Siebzigjährigen bei seinen Karnickelställen, Hühnern und Misthaufen in einem mecklenburger Dorf kennen. Er hat zwei Weltkriege erlebt. Beim zweiten drei seiner Kinder, einen Bruder, seinen Hof und seine Heimat verloren. Wenn einer gestorben ist, nannte er es mit heiserer Stimme "kaputtjejang". Er war hart. Und doch hatten meine Großeltern eine menschliche Tiefe, die mir einen Grund gibt im Leben. Wenn ich auf Arbeit die Wildblumenwiese mähe und das Heu zusammenreche, fühle ich mich mit ihnen verbunden.

Ich weiß nicht, ob mein Opa als Kind Schweine gehütet hat.

Ich weiß, daß es früher üblich war, daß auch Kinder die Dorftiere beaufsichtigten.

Gänse, Ziegen, Schafe, Kühe, Schweine, zum Teil neben der Schule und der Heuernte und weg von zu Hause.

Bis ins 19. Jahrhundert, mancherorts bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Wälder als Viehweiden genutzt.

So wie die hier dargestellte Eichelmast von Schweinen.

Sie sollten sich im Herbst fett fressen, um in der Winterschlachtung guten Speck und gutes Fleisch zu geben.

Wegen ihrer malerischen Qualitäten wählte ich die "Bunten Bentheimer Schweine", eine norddeutsche Züchtung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

In den Hungerjahren nach dem zweiten Weltkrieg waren sie hoch angesehen, wegen ihres hohen Fettgehalts, ihrer Fruchtbarkeit und Genügsamkeit in der Haltung.

Mit dem Wirtschaftswunder nach den 1950er Jahren veränderte sich die Schweinezucht über viele verschiedene, regional angepasste Rassen hin zu wenigen "Wirtschaftsrassen" mit magerem Fleisch.

2003 gab es deutschlandweit nur noch rund 50 Zuchttiere der Bunten Bentheimer.

Im gleichen Jahr gründete sich der "Verein zur Erhaltung des Bentheimer Schweins e. V.".

2014 gab es wieder rund 500 Zuchttiere.

 

Das Aussterben der Artenvielfalt betrifft nicht nur Wildtiere und Wildpflanzen. Auch unsere Hausstierrassen und Kulturpflanzenarten sind zu einem großen Prozentsatz ausgestorben. Der industriellen Lebensmittelerzeugung

zum Opfer gefallen. Wir und unsere nachfolgenden Generationen zahlen einen hohen Preis für die Bequemlichkeiten der Supermärkte.

Einen Preis, den die meisten leider garnicht mehr kennenlernen können, weil er verschwunden ist.

 

Mit Freude sehe ich junge Menschen der neuen Generation mit Permakultur und "Alten Sorten" andere Wege ausprobieren und die Natur erhaltende Arten der Landwirtschaft praktizieren. Mögen es mehr werden!

Und mögen die Monokulturen, die Genmanipulationen und das Vergiften unserer Erde und all ihrer Wesen ein Ende haben!

 

 

 

(c) Anja Mattenklott, Potsdam, 15.10. 2020