Tamasaburo Bando V.

Kabuki-Tanz

Japan war, wie für viele meiner Art-Genossen eine frühe Leidenschaft von mir. So kam es mir entgegen, den minimalistischen und doch so fein so viel sagenden Tanz einer Kurtisane mit Bildern auf ihrem Wandschirm zu illustrieren.

 

Die Tänzerin selbst ist eigentlich ein Tänzer, ein Onnagata, ein Frauendarsteller. 1603 von Okuni und ihrer Schreinmädchen-Gruppe als Tanz- und Komödienaufführung mit erotischer Anreicherung erfunden, wurde Kabuki bald von beiden Geschlechtern begeistert aufgeführt und angeschaut. Der Tanz ließ sich schwer von der Prostitution trennen. Um die beliebten Damen entbrannten oft heftige Streitereien unter ihren Gönnern. Dies führte 1629 zum generellen Verbot des Frauen-Kabuki. Mit wenig Erfolg: die jungen hübschen Onnagata-Männer wurden ebenso leidenschaftlich geliebt wie die Frauen...

 

Hier ist es Tamasaburo Bando der V., inzwischen 67 Jahre alt,

seit 2012 einer von Japans "lebenden Nationalschätzen".

 

Anja Mattenklott: "Tamasaburo Bando V. -Kabuki-Tanz", 2017, 40 cm x 50 cm,  Gouache,  Pigmente,  Tusche,  Shellack auf Karton
Anja Mattenklott: "Tamasaburo Bando V. -Kabuki-Tanz", 2017, 40 cm x 50 cm, Gouache, Pigmente, Tusche, Shellack auf Karton

Links in der Mitte am Fluß begleitet eine Shamisen-Spielerin die Tanzende und erzählt in klagendem Gesang in Gedichten ihre Geschichte. Die Geisha, momentan unfroh im Freudenviertel lebend, erinnert sich an eine Szene mit ihrem Geliebten, den sie lange nicht gesehen hat.

 

Sie fragt nach dem Wesen der Liebe.

Als Antwort hören wir nur den Wind in den Kiefern, ein japanisches Gefühlsbild für Einsamkeit und Melancholie.

Als Antwort hört sie nur den Gesang des Bergkuckucks, dessen Schrei so herzerweichend sein soll, daß er als Metapher für sehnsuchtsvollen Liebesschmerz in der Poesie breite Verwendung fand.

 

Es folgt ein Gedicht des mittelalterlichen Mönches Saigyo über seine kummerbeladene Stimmung. Er verdächtigt den Mond, daran seinen Anteil zu haben und erhebt vorwurfsvoll sein tränenbenetztes Antlitz.

Wie trostlos ist ein Kurtisanenleben . . . /#\ . . . ein plötzlicher Schmerz in der Brust läßt sie langsam in sich zusammensinken, dabei ihren Fächer kraftlos abwerfend.

 

Die leise Drehung ihres Kopfes deutet an, daß der Ersehnte erschienen ist.

Sie erhebt sich sehr anmutig. Führt pantomimisch seinen Arm unter ihren Arm. Als sich ihre Hände berühren, braucht es keine Worte. Im Stillen verstehen sie einander im Herzen.

Es ist Sommer. Sie nestelt an einem Moskitonetz, öffnet es elegant mit dem Fächer und gemeinsam nehmen die Liebenden ihr Ruhelager ein.

 

 

(c) Anja Mattenklott, 13.04. 2017

Link zum Inspirations-Video (10 min):

https://www.youtube.com/watch?v=ABV86sCZ0FQ