Haveltango

Anja Mattenklott: "Haveltango", 2016, 50 cm x 70 cm, Gouache, Pigment, Graphit, Buntstift auf Karton
Anja Mattenklott: "Haveltango", 2016, 50 cm x 70 cm, Gouache, Pigment, Graphit, Buntstift auf Karton

 

Die Skizze zum "Haveltango" entstand im August 2015 an einem stillgelegten Arm der Havel in Paretz.

Ich sammelte dort Ideen zu meiner Ausstellung

"Tanz in den Mai" für die Paretzer Offenen Ateliers 2016.

Die Frau in ihrem Fischkleid sollte die Fischin sein, der Mann in seinem Netzanzug der Fischer,

der sich die Fischin fängt.

Auf ihren Kopfbedeckungen tragen sie Symbole des Ketziner Stadtwappens:

sie, die einem Weberschiffchen ähnelnde Garnnadel, die die Fischer zum Netzeknüpfen und -flicken verwenden, er, den Schlüssel des Apostels Simon Petrus, dem Schutzpatron der Fischer und Angler.


Eingebettet in die typische havelländische Flora tanzt das Paar vor Weiden, Erlen, Birken, Pappeln, Holunder, Schlehen, Weißdorn, Pfaffenhütchen, Schilf und Seerosen, begleitet von Wildgänsen und Bleßhühnern.

Das Schiff am rechten Rand heißt im wahren Leben "John Franklin" und gehört zum Campus der Helga-Breuninger-Stiftung.

Es wird genutzt, um Seminarteilnehmer von Potsdam nach Paretz zu shuttlen, in Ausflugsfahrten Gruppenbildungsprozesse zu fördern, um Übernachtungsgäste zu betten.

Zudem fährt es als "Wunderkammerschiff" beladen mit exotischen Exponaten der Stiftung Olbricht zu Berliner und Brandenburger Grundschülern, um ihnen einen lebendigen interaktiven Weg in die Welt der Museen zu eröffnen.

 

Ich nannte es "Olga", weil nach meinem Gefühl Schiffe ein weibliches Wesen haben. Sie sind wie Gefäße, die die Reisenden aufnehmen und schützend umhüllen.

Ein alter Englischlehrer formulierte: "Schiffe sind weiblich, weil

die Takelage so teuer ist." Wenn man nachsucht, kann man viele Begründungen finden.

"Haveltango" step by step


Thema "Männlich-Weiblich": Als ich ein halbes Jahr später mit der Umsetzung der Skizze begann, hatte sich mein Freund frisch von mir verabschiedet und mir blieb es übrig, mich auch zu trennen.

Trauernd saß ich an der Vorzeichnung, rekapitulierte all mein Liebesunglück und stellte mir die Frage: "Wie müßte

es für mich sein, wenn ich glücklich mit einem Partner zusammen bin?"

Der Mann auf meinem Bild verstand mich innig, gab mir Halt und lenkte mich wissend auf den Weg.

Am Ende erinnerte er mich an meinen Vater und es könnte der Moment sein, in dem er mich väterlich als junges Mädchen in die Welt entläßt, und ich mich verabschieden muß, um meinen eigenen Weg zu gehen.

Das Bild hat viele Sichtweisen, und seine Bedeutung verändert sich mit der Zeit.

 

Das Herz auf der geöffneten Hand des Tänzers symbolisiert, daß er alles mit Liebe tut, mit Hingabe.

Auf seiner Hose schwimmen einsömmrige Karpfen und schnappen nach orangen Boilies, kleine Nahrungskugeln,

die Angler zum Anfüttern verwenden.

Vor eingen Jahren hatte ich im Tausch gegen Eier einen Karpfen versprochen. Ich fing ihn und erschlug ihn.

Der Moment, als sein rollendes Auge aufhörte sich zu bewegen . . . danach habe ich nie wieder geangelt.

Es tat mir sehr leid, diesem Tier sein junges Leben genommen zu haben. Vielleicht hat mein Unterbewußtsein ihn

auf diesem Bild auftauchen lassen, um mich zu erinnern.

Auf dem rosafarbenen Grund finden sich links kleine Herzen mit Pfeilen - theoretische Versuche, zwei Herzen so zu verbinden, daß sie ganzflächig zusammenpassen.

Der übrige Raum ist beschrieben mit dem freudigen Ausruf: "Mein Weg!", in verschieden Sprachen der Erde.

Nach vielen Höhen und Tiefen bis hin zur kompletten Aufgabe meiner Malerei, wurde mir im Entstehen dieser Arbeit endgültig meine Bestimmung bewußt.

Das Bild ist mein Bekenntnis, den Weg der Künstlerin

- meinen Weg - weiterzutanzen, bis ich sterbe.


Die Kappe der Frau ist in sechs Zeilen gemustert. Von unten nach oben aufsteigend beschreiben sie einen Ablauf kreativer Prozesse.

Die vielen hellblauen Punkte sind das schlafende Potential, alle vorhandenen Ideeneier.

Darüber die Sterne sind einzelne Ideen, die entzündet sind, um bearbeitet zu werden.

Die hellblauen kurzen Striche geben die Richtung an, in die die Ideen geleitet werden.

Die Wellenlinien symbolisieren die geistige, gefühlte und seelische Durchdringung der jeweiligen Themen.

Der rosa Schaum steht für eine liebevolle, heilsame, reinigende Betrachtung und positive Transformation der Stoffe.

In der letzten Zeile liegen in Form von hellgrünen Böhnchen und goldenen Punkten die fertigen, neu geschaffenen Ergebnisse der Prozesse.

Die an ihrem Hut befestigte Netznadel steht neben anderem für die Lebensaufgabe, immer wieder Neues zu erschaffen.


(c) Anja Mattenklott, 1. Mai 2017