Gruppenbild mit Hirsch

Anja Mattenklott: "Gruppenbild mit Hirsch", 84 cm x 59 cm, Gouache, Pigmente auf Holz, 2020
Anja Mattenklott: "Gruppenbild mit Hirsch", 84 cm x 59 cm, Gouache, Pigmente auf Holz, 2020

Auf der Suche nach meinen kulturellen Wurzeln begann ich als Jugendliche mit den geistigen Grabungen in Papua Neuguinea. Ich fand dort etwas Lebensursprüngliches, was ich der alltäglichen DDR und späteren BRD nicht fand.

Über Jahrzehnte beschäftigte ich mich immer wieder mit indigenen Kulturen aus der ganzen Welt. Sah ihre Kunst, ihre Kleidung, ihren Körperschmuck, ihre Wohnstätten, hörte ihre Sprachen und ihre Musik, versuchte ihre Lebensweise zu verstehen, wenn möglich, ihre Speisen zu essen.

2018 stieß ich auf das Volk der Hopi im heutigen Arizona. Sie leben dort belegt seit über 3000 Jahren in Pueblodörfen, vermutlich noch länger, hauptsächlich vom Maisanbau, auch Kürbis, Bohne, Melone und Tabak wird kultiviert, gelegentlich gejagt.

In ihrem Wissen um ihre Abhängigeit von der Erde und allen Naturwesen, von den Elementen, vor allem dem Regen, leben sie in tiefer Spiritualität, soweit ihnen die traditionelle Lebensweise heute möglich ist.

 

In jährlich wiederholten, komplexen Zeremonien treten gemeinsam mit Sängern, Trommlern und Clowns Kachinatänzer und -tänzerinnen als Mittler zwischen den Welten auf.

Sie garantieren die gute Verbindung der Menschen des Hopivolkes untereinander und mit den Naturkräften, und stellen gleichzeitig ihre Kultur und ihr Wissen dar, das sich so auch der jeweils neuen Generation offenbahrt.

Anläßlich solcher Zeremonien bekommen Mädchen Kachina-Puppen geschenkt. Es sind kleinere Modelle der Geist-darstellenden-Tänzer aus Pappelwurzelholz geschnitzt, mit Naturfarben bemalt, mit Federn, Muscheln, Stoff oder Türkisperlen geschmückt. Ihnen wird die Geschichte dazu und ihre Bedeutung für die Hopi erklärt. Über Jahre lernen sie die Wesen kennen. Man schätzt etwa 400 verschiedene Kachinas gibt es, wobei nicht jeder alle kennt und auch einige verschwinden und neue entstehen. Wenn sie sich nicht gerade in Kinderhänden befinden, hängen sie traditionell an der Wand, präsent, mit ihren Kräften.

 

Die künstlerisch-spirituelle Ästhetik der Hopi spricht mich an,

und diese Ausdrucksform habe ich im "Gruppenbild mit Hirsch" umgesetzt.

Erst letztes Jahr kam ich auf die Idee, in der europäischen Volkskunst zu forschen,

wenn ich etwas über meine Wurzeln finden möchte.

 

Die Europäer als Waldmenschen verehrten den Hirsch als das Oberste der heiligen Tiere,

und die Eiche als den Obersten der heiligen Bäume.

Heilig war alles. Alles Lebendige. Und das ist alles in der Natur.

Und die Sonne als den Obersten der heiligen Planeten,

der alles Leben lenkt und uns eine Ordnung gibt

von Tag und Nacht, Winter und Sommer, Wachstum und Absterben.

 

"Gruppenbild mit Hirsch" ist ein zarter Eintritt in einen europäischen Urwald mit seinen altbekannten Bewohnern, die ich mit neuen Augen als meine Kultur-Wesen sehe: die Bäume, Blumen, Pilze, Sträucher, Käfer, Schmetterlinge, Vögel, Säugetiere, jedes mit ein bis zwei Lieblingsspeisen.

Und wo der Wolf ist, kann das Rotkäppchen nicht weit sein, als menschliches europäisches Waldwesen.

 

 

 

(c) Anja Mattenklott, Potsdam, 15.10. 2020